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Um was geht's hier? Berichte und Photos von meinem Aiesec-Praktikum 2003 bei Vigorsoft in Baroda (Gujarat, Indien).
Die Photos finden sich unter dem links rechts.
Und wen mein ganzes Geschreibsel interessiert, der klickt auf die "archive"-links am rechten Rand oben; auf der Hauptseite erscheint nur der aktuelle Monat.

31 Oktober 2003

arrgh, scheiss-verbindung in diesem hinterhof-cybercafe irgendwo in taj ganj in agra, gerade ist mein post im aether verschwunden.

Gestern abend in Delhi noch in der "blues bar" gewesen; uebler Versuch, fuer die Reichen Delhis eine europaeische Kneipe zu konstruieren, inklusive Discokugel, zu lauter Musik und Kellnern in laecherlichen Aufzug (Knicerbocker, Hosentraeger, und Schiebermuetzen, soll wohl englisch wirken), und dazu gesalzene, das heisst fuer indische Verhaeltnisse abartige Preise. Bin nach einem (im Vergleich zum heimischen Kingfischer zugegebenermassen sehr leckeren ) heineken gefluechtet.

Dann in's "DV8", so was wie der aktuelle in-laden, kaum billiger, aber sehr gemuetliche Bar, leckere Cocktails, andere westliche traveller zum quatschen, und dazu das gute Gefuehl, dass eine Milliarde Inder jetzt gerade gern so cool und reich wie ich waere ;)

Heute in Agra das red fort angeschaut, wirklich sehr schoen und beeindruckend, wenn auch leider nicht mehr (wie in meinem leicht veralteten lonely platet angegeben) mit kostenlosem Eintritt Freitags, sondern fuer 250 rupies, das ist zwoelf mal soviel wie die Inder zahlen.
Agra ist ueberhaupt ein teures Pflaster, und die Riskchafahrer, Strassenahandler etc falls das moeglich ist noch aufdringlicher als in Delhi.

30 Oktober 2003

heute live aus paharganj / new delhi
(die knapp zwanzig stunden zugfahrt von ujjain nach delhi lassen durchaus mal den wunsch nach etwas relaxen aufkommen, deshalb sitzt ich jetzt im internetcafe und schreibe das, nur dass hier niemand meint ich haette in delhi nix besseres zu tun)

Gestern den vormittag in ujjain verbracht; sehr indische Stadt; will heissen: wirklich niemand spricht mehr als gebrochenes englisch, alle starren einen an, laufen einem nach, wollen wissen, wie man heisst und woher man kommt, laden einen auf einen chai ein usw.
Liegt wohl daran, dass es touristisch ziemlich uninterssant ist, waere interssant, wann vor mir der letzte europaer durchgekommen ist, wohl einige zeit her.
Ist nicht wirklich tragisch, aber manchmal sehr laestig, aber manchmal trifft man auch auf wirklich interessante menschen, z.b. den ehemaligen geschichtsprofessor, der von der deutschen Forschergruppe erzaehlt, die vor ein paar jahren da war, oder den sadhu (hindu-pilger, zu erkennen am orangen Umhang, "Wickelrock" um die Beine und langem haar und bart), der trotz abgerissener Kleidung und meterlangem Bart eine gepflegte Erscheinung macht und einem in erstaunlich gutem englisch den Weg erklaert und sich freut, dass er weiterhelfen konnte, oder den chaiwallah (Teeverkaeufer) am Wegesrand, der zwar kein Wort englisch spricht, aber darauf besteht, den komischen weissen Menschen auf einen chai einzuladen, oder den shoe minder im tempel, der sich fast kranklacht ob des einsamen Paars Turnschuhe neben einem Berg von einer Million indischer Sandalen,...

Gibt ein paar nette Tempel in Ujjain, die meisten Hindu-tempel haben einfach eine ruhige, friedvolle Athmosphaere, immer gut um ein paar Minuten zu relaxen von der ganz entschieden nicht ruhigen Athmosphaere der Strassen.
Einer davon (Mahakaleshwar mandir) ist (wenn ich das richtig verstanden habe, zuzutrauen waers dem hinduismus allemal) Shiva's heiligem Feuerpenis geweiht; dazu noch ein paar silbernen Kuhstatuen, einem komischen Stein, der mit Blueten und Milch uebergossen wird, einem dreckigen pool, in den man babys wirft, das bringt Glueck, und noch ein paar Merkwuerdigkeiten mehr.
Ist eine Riesenattraktion; draussen stehen anstell-gitter wie in Disneyland, als ich da war war aber gerade nix los, wohl wegen der divali-feiertage, mir war das trotzdem etwas zu hinduistisch-verschroben.

Heute morgen in Delhi angekommen, ist eindeutig einer der haerteren Level im Abenteuerspiel namens Indien, unglaublich penetrante "touts" (keine Ahnung, was das auf deutsch heisst, sind Leute, die versuchen, einen in ueberteuerte Geschaefte zu locken, was anzudrehen etc). Mit mittlerweile einiger indien-erfahrung kein Problem (schaffe es sogar, die rikscha-fahrer auf einen einigermassen fairen Preis runterzuhandeln, und das sind nicht irgendwelche, sondern delhi's beruehmt-beruechtigte touristen-verschreckende hardcore-rikschawallahs), aber kann mir vorstellen, dass man als tourist oder neuankoemmling ziemlich abgeschreckt wird.
Aber mir gefaellt Delhi, ist ein interessanter Mix aus belebten schmutzigen kleinen Gassen, eher europaeischen grossen Boulevards mit teuren Geschaeften und jeder Menge Sehenswuerdigkeiten.

Heute erstmal in Connaught Place und Paharganj umhergestreift, in skurrilen kleinen bookshops gestoebert, paar hindipop-cd's gekauft, in einem schicken restaurant mit feinster wiener kaffehaus-athmosphaere gegessen, und abends werd ich noch ein paar Bars erkunden (ja, hier gibt's sowas wie eine blues bar)

Morgen dann nach Agra, morgen abend zurueck (hatte urspruenglich aufgrund schlechter Planung einen siebenstuendigen zug nach Delhi zurueck gebucht, wollte dann noch zum shatabti express wechseln, der faehrt das in zwei stunden, aber fuer den gab's keine Tickets mehr; ein Typ der neben mir am schalte stand hat das mitgekriegt und mir versprochen, fuer einen Aufpreis kann er mir tickets beschaffen; war misstrauisch, sowas sind oft betrueger, die mit der Anzahlung verschwinden, oder einen schlechteren Zug buchen als versprochen oder sowas, und hab keine Anzahlung geleistet und gesagt, wenn er nicht wie versprochen in zehn minuten mit dem ticket da ist bin ich weg; er hat's aber tatsaechlich gebracht ("i know some people and pay them some extra money") und mir auch genau aufgeschluesselt, wieviel er draufschlaegt (vielleicht auch nur, weil ich ihm klargemacht habe, dass ich genau weiss, welchen Zug ich will und wieviel er kostet). Delhi ist einfach; man muss nur einen ehrlichen Betrueger finden...

28 Oktober 2003

Lange nix mehr geschrieben, glaube auf meinem pc liegt noch ein halbfertiger post rum, aber da komm ich dank ferien momentan nicht ran.
War letzte Woche (mal wieder, scheiss indischer generalangriff-auf-das-immunsystem hygienestandard) krank, samstag davor und montag noch in der arbeit, aber nix mehr zustande gekriegt, also dann erst mal drei tage ins bett gelegt.

Donnerstag Abend dann mit etlichen anderen Trainees zusammen in den Bus nach Diu gesetzt (11 Stunden fuer 600 kilometer; dank des Zustands des busses und der strassen kann man nicht wirklich schlafen). Vier gigantische Tage in Diu verbracht, ist eine wirklich huebsche kleine Insel mit tropischen Straenden, verfallender portugiesischer Architektur, romantischem kleinen Fischerdorf, sunset points etc.

Macht einfach Spass, mit dem gemieteten Motorrad ueber die Insel zu tuckern (indian-style: kein Helm, kein Fuehrerschein, dafuer mindestens drei Leute pro Fahrzeug), irgendwo am Strand anzuhalten, im warmen Wasser zu schwimmen und den Abend mit ein paar Drinks (als ehemalige portugiesische kolonie kein offizieller Teil von Gujarat -> keine Prohibition) am Strand ausklingen zu lassen. Bis auf ein altes Fort und ein paar Hoehlen, keine wirklichen Sehenswuerdigkeiten, aber ein guter Ort um einfach ein paar Tage zu relaxen. Und immer dran denken: herbstliches Scheisswetter in Europa...

Man muss halt den ueblichen indischen un-komfort in kauf nehmen, z.b. ein erstaunlich hartes Bett im erstaunlich leeren, kleinen Hotelzimmer, wirklich widerliche indian-style toilet, 14-stuendige busfahrt im alten, engen, ueberfuellten, schlecht gefederten, langsamen bus ueber kuestenstrassen = ansammlung von schlagloechern und speed bumps,...

Natuerlich ist bei meinem Scooter der Vergaser abgesoffenm, als wir gerade am ganz anderen Ende der Insel waren wie diu town, hab mich also 15 kilometer lang von jeroen abschleppen lassen, eine hand am lenker, eine hand am ruecksitz von jeroen's motorrad, meine Arme sind jetzt zwei Zentimeter laeger, schaetz ich.

Man sieht in diu auch gelegentlich einen weissen Touristen, aber als groessere Gruppe ist man natuerlich die Attraktion; bei den chai breaks auf dem weg wird man eigentlich immer von einer groesseren gaffenden Menge umstanden; das naechste Mal lassen wir den Hut rumgehen und sammeln :), ist nicht wirklich unangenehm, aber manchmal laestig, auf jeden Fall weiss man jetzt, wie's den Tieren im Zoo geht.

So, muss jetzt packen, heute abend geht's nach ujjain, dann weiter nach delhi und agra.

18 Oktober 2003

Wollen das von neulich mal relativieren, gestern und heute hatte ich, na
ja, Spass ist das falsche Wort, aber fast Spass in der Arbeit.
Hab gestern ausgeholfen, aus den jsp's einer alten webanwendung den
html-interface-prototyp der neuen version zu basteln; natuerlich will
einem mal wieder niemand sagen, wozu das gut ist, wie die Anwendung
designt ist, mit was der Teil, an dem man arbeitet zusammenspielt etc,aber
wenigstens konnte ich was relativ interessantes konkret nuetzliches
machen, und das bis kurz vor acht uhr abends, nachdem dann kurz vor der
deadline noch alles ganz ploetzlich fertig werden musste, da war dann
natuerlich keine Zeit mehr fuer ordentliche Struktur, macht dann echt
Spass wenn man kurz vor knapp im aus zeitmangel selbstverschuldeten chaos
noch die siebzehnte kosmetische Aenderung durchfuehren darf.

Und heute bastel ich die PostgreSql-statements fuer die Tabellen meines
kleinen webshops, die beans, um das ganze zu verpacken, und den parser,
der dann aus einem xml-file den programmablauf liest; bin nicht mehr so
muede, da geht wenigstens was vorwaerts, und die Zeit vergeht auch
ungleich schneller. Was jetzt nicht heisst, dass ich nicht gelegentlich
dran denken wuerde, dass ich um die Zeit (kurz nach vier) bei
europaeischen Arbeitszeiten gerade aus haette...

Amuesanter fact am Rande: glaube, ich habe in den knapp neun Wochen bei
vigorsoft bis jetzt mehr programmiert als in saemtlichen Semestern Uni
zusammen.

Wollte gestern mit Jahun und Tomomi ins Kino, leider lief da als wir
hinkamne wegen "technischer Probleme" gerade gar nichts, sind dann nach
ellora five und haben marian mitgenommen und waren dann in nizampura zum
quatschen, trinken und pfannkuchen (ich liebe meine neue Bratpfanne, damit
kann sogar ich kochen) spachteln.
Francois hat sich beschwert, dass er fuer seine Wirtschaftsuni zahlen muss
"mais pas les ingenieurs!',Jahun hat den Unterschied zwischen Pim Fortuyn
und wirklichen Rechtsextremen erlaeutert,Matthias hat den anderen zu
erklaeren versucht, wie deutsche Direktmandate fuer den Bundestag
funktioneren, Louise hat bedauert, dass der daenische Kronprinz jetzt
verheiratet ist, wir haben den deutschen Gewinn der
Fussballweltmeisterschaft gefeiert (Frauenfussball!), Marian hat von
seinen Erfahrungen im klopapierlosen Benutzen eines indischen Klos
berichtet, Andrey hat wie immer zu viel und zu langsam geredet, Tomomi hat
sich ueber die deutsche Direktheit amuesiert (sind wir wirklich _so_
direkt?),und vieles anders mehr. Lustiger Abend.

Einen Aufenthalt in Indien sollte es in Deutschland auf Rezept geben;
heilt jegliche Angst vor Arbeitslosigkeit, und auch vielem anderen, wenn
einem klar wird, dass es der aermsten Sau in Deutschland materiell besser
als mindestens 80% der Inder selbst mit nochsoviel Arbeit und Glueck je
erreichen koennen.
Ganz egal was passiert, man wird in Deutschland nie hungern oder auf der
Strasse schlafen muessen, also wovor sollte man Angst haben?

Vermisse eine sueddeutsche Zeitung; wir haben im buero zwar times of
india, aber die meisten Artikel sagen mir entweder nichts (ueber indische
Politiker, filmstars) oder interessieren mich nicht (Sportteil = cricket,
und das ist rein objektiv gesehen stinklangweilig). Und natuerlich gibt's
etliche Meldungen der Art "Krankheit x in provinz y ausgebrochen" oder "a
Leute bei (Streik|riot|religionsunruhen|polizeibrutalitaet|demonstration)
(erschossen|verwunden|verschwunden)", aber ansonsten kriegt man von sowas
zum Glueck wenig mit (okay, es ist mal vorgekommen, dass sie in der Arbeit
mittags gemeint haben, es ist heute besser, eher zu gehen und zu hause zu
bleiben, aber das war uebertrieben, und reine Vorsicht).
Und von Kriminalitaet bedroht fuehlt man sich eigentlich nie; in Indien
wird man ehrlich abgezockt, angebettelt etc.
Andrey aus Venezuela faellt das besonders auf; waren nach der german
presentation nachts zu fuss auf leeren Strassen unterwegs, mit dem Laptop
im Rucksack, dessen Preis fuer die meisten Inder mehreren Jahreseinkommen
entspricht, da hat er gemeint, zuhause waere das gefaehrlich. Aber
gefaehrdet fuehlt man sich eigentlich nie; ausserdem ist ziemlich viel
Polizei auf den Strassen (wegen befuerchteten muslimischen
Terroranschlaegen, mit Gewehren Jahrgang erster Weltkrieg, und
Schlagstoecken, die hier noch woertlich zu nehmen sind (mannshohe
Holzstaebe)).

Hab von Rohit den Hinweis bekommen, dass es eine website gibt, auf der man
die Verfuegbarkeit von Plaetzen in Zuegen klaeren kann, und dass man auch
nach Delhi kommt, wenn man einen langsameren Zug zu einem
kaff-auf-dem-weg-mit-ein-paar-interessanten-Tempeln nimmt, das dauert
einen Tag laenger, aber dafuer gibt's noch fahrkarten. Und zurueck werd
ich halt dann fliegen, das kostet zwar fast einen Monatslohn, aber
andererseits sind das nicht mal hundert euro, und dafuer komm ich jetzt
tatsaechlich noch ueber divali nach delhi und agra, das waere fuer einen
wochenend-trip zu weit.

Die internetseite der indischen Eisenbahn ist uebrigens ein Musterbeispiel
an "user interface design, wie wann's nicht machen sollte": Bringt gleich
mal eine harmlose, aber den User abschreckende Javascript-Fehlermeldung,
ist extrem unuebersichtlich, haesslich und unkomfortabel, zwingt den
Benutzer, in Begriffen des Betreibers (Zugnummern) statt den des Benutzers
(wo will ich hin) zu denken, und das schoenste: bei so ziemlich jeder
Abfrage kommt ein Dialogfeld (nur leicht paraphrasiert) "Ihnen ist
hoffentlich klar, dass diese Abfrage eine wirklich grosse Arbeitsbelastung
unseres Systems zur Folge hat. Bitte vermeiden sie unnoetige oder
wiederholte Aufrufe dieser Funktion, sonst raucht der Server ab. Danke."

Matthias musste wegen schlechter Nachrichten von zuhause kurzfristig
heimfliegen, hofft in zwei Wochen oder so wiederzukommen. Ist momentan
ganz schoen leer in der Wohnung (nur Louise, Francois und ich)

15 Oktober 2003

[Waehrend der Woche angesammelt]

War neulich bei einem indischen festival nicht in der kurta, sondern in jeans und tshirt; auf die Frage, warum ich keine indischen Klamotten anhab hab ich entgegnet "ich hab indische klamotten an: das 5-euro-h&m-tshirt is hoechstwarhscheinlich in Indien produziert".
Die haben hier eine grosse Fabrik, sind angegriffen worden, weil sie Kinderarbeit verwenden. Ein europaeischer Fernsehjournalist hat darueber eine Dokumentation gedreht, und ist zu dem Schluss gekommen, dass es fuer die Kinder besser ist, zu arbeiten: bei h&m lernen sie nachmittags lesen und schreiben, handwerkliche skills, haben medizinische Versorgung etc.
Und selbst bei einer indischen Firma ohne solche Sozialstandards und mit gefaehrlichen Taetigkeiten stellt Arbeit zumindest sicher, dass sie was zu essen haben. (Und gefaehrlich ist vieles hier, Simon's chef hat ihm z.B. die Produktion gezeigt und war ganz stolz auf die Verwendung des high-tech materials Asbest...)
Ich glaube, man muss hiergewesen sein, um das zu verstehen, aber Kinderarbeit abschaffen zu wollen ist blauaeugig: die Alternative zum arbeiten ist fuer viele Kinder hier halt *nicht* in die Schule zu gehen, sondern auf der Strasse zu schlafen und zu hungern.
Das Problem ist nicht, dass es keine Schulen gaebe und die Kinder gezwungen waeren zu arbeiten, sondern dass es fuer viele Inder einfach ein unbezahlbarer Luxus ist, nicht fuer den Lebensunterhalt arbeiten zu muessen und stattdessen die Zeit mit Lernen verbringen zu koennen.
Nur ein Beispiel dafuer, wie schwierig es ist, mit Entwicklungsarbeit mehr gutes zu tun als kaputtzumachen, und wie ahnungslos man bezueglich der Verhaeltnisse in einem Entwicklungsland in Europa ist.


Haben wieder ein paar neue praktis, nachdem wir in den letzten wochen auf 15 leute oder so stark dezimiert wurden: christoph aus deutschland (gestern zum ersten mal gesehen, ersteindruck: bisschen merkwuerdig, typ akademisch-intellektueller soziologiestudent, hoert tocotronic, liest sartre und sowas), silke (auch aus deutschland,kein aiesec-trainee, aber arbeitet wie francois und matthias bei L&T, sollte urspruenglich in Ellora 5 wohnen, ist aber kurz nach der Ankunft wieder gefluechtet, wohnt jetzt erst mal im Hotel...).
Dazu noch Andry aus Venezuela, der war am Wochenende schon mit in Ahmedabad, ist echt nett, aber redet zuviel :)


Gestern haben frauke und ich die deutschland-praesentation in la casa gehalten, war aufgrund zeitmangels zur Vorbereitung etwas undeutsch chaotisch, aber ganz gut.
Hab eine (von einer CD von Frauke's LC kopierte) Praesentation gehalten (hatte keine Zeit mehr, sie vorher selber anzuschauen, nachdem mein pc den Temperaturwechsel von aircon-office zu heisser traineeflat offenbar schlecht vertragen und ertmal das display gestreikt hat, deshalb etwas chaotisch, aber lustig),
dann frauke eine session zur dt. Wiedervereinigung, dann ein Spielchen mit wahren oder erfundenen Fakten ueber Deutschland (wer richtig raet bekommt Gummibaerchen), und dann einfach eine Slideshow mit Bildern von Deuschland, die ich wahllos aus dem Internet runtergeladen hab laufenlassen, und dazu deutsche Musik (Aerzte, Hosen, Fanta4, Groenemeyer - und bayerischer Defiliermarsch, sauba sogi!) und deutsches Essen (Eintopf, Hagebuttentee, Gummibaerchen, Pumpernickel mit Leberwurst, Jaegermeister).


Irgendwie kommt man immer nur zur Haelfte der Sachen, die man eigentlich machen moechte; zum einen dauert alles etwas laenger, funktioniert anders oder gar nicht etc; zum anderen hat man unter der Woche halt relativ wenig Freizeit.
Diese Woche: Montags zum Bahnhof wegen Fahrkarten, dann ins Internetcafe zum Infos suchen fuer die german presentation; Dienstags nach der Arbeit nach Galaxy, mit Frauke presentation vorbereitet, dann trainee council meeting, dann noch mit den aiesecern gequatscht, halb elf heim und ins Bett; Mittwoch nach der Arbeit nach La Casa, presentation vorbereitet und gehalten, zusammengesessen bis elf. Donnerstag zum Schneider, meine Hosen abholen, dann nach la casa, um den diu-trip mit den anderen zu planen, dann internet cafe zum emails schreiben. Freitags Diskussionsabend der baroda management association.
Freu mich wirklich auf mal wieder einen ruhigen Abend daheim, nur kochen, essen, auf der couch liegen, musik hoeren und lesen.

Zitat aus dem tagebuch eines anderen praktis: " Inder glauben an ihre Wiedergeburt auf der Erde, und so fahren sie auch."

Heute in der Zeitung kurzer Bericht ueber einen Ausbruch von dengue-fieber, aber sowas gibt's oefter, ist eigentlich zu langweilig um es festzuhalten. Ist auch kein so grosses Problem, es gibt schon auch z.B. Malaria, aber nur in Einzelfaellen.

Totally random fact (zufaellig auf einer website gefunden, fand ich irgendwie faszinierend:
I've been told (by a Babylonian scholar) that there are more people alive today who can read and write Babylonian cuneiform than at any other time in history.
When it was a living language, the world's population was tiny and the literacy rate microscopic. The literate of ancient Babylon are far outnumbered by the linguistics undergraduates who study cuneiform today.



[Samstag mittag]

Juhuu, noch vier Stunden bis zum (wohlverdienten!) Wochenende! War heute ueberhaupt recht relaxt, nachdem ich erst mal etwas zu spaet gekommen bin (Arbeitsbeginn ist eigentlich fix und mit per computer abgefragter Stechuhr um punkt acht, nachdem man aber "in seltenen Faellen" ohne Konsequenzen um acht uhr zehn kommen kann, kommen alle um kurz vor zehn nach, un haengen dann erst mal noch etwas rum. Und wenn man vier mal im monat zu spaet kommt verliert man einen halben Tageslohn, deshalb machts abgesehen von einem schlechten Eindruck nichts, wenn man ein bisschen zu spaet kommt, man zahlt ja dafuer. Aber andererseits hat das so-gut-wie-garnichts-verdienen den Nebeneffekt, dass der verlorene halbe Tageslohn umgerechnet 1,80 euro oder so ausmacht, pfft.
Dann um neun erstmal Fruehstueckspause, und um halb zehn ist wie auf Bestellung der Strom ausgefallen, bis um zwoelf, bin also erstmal zu crosswords (Buchladen) um die Ecke.
Ein ganzer Stapel Buecher fuer nicht mal dreissig euro...


Aber mittlerweile gefaellts mir in der arbeit eigentlich ganz ordentlich, nachdem ich letzte Woche so genervt von dem ganzen war dass ich mir ueberlegt habe, wann ich's hinschmeissen soll. Das einzige was mich davon abgehalten hat war, dass ich nicht einfach so aufgeben wollte; Indien oder ich, da bin ich doch wohl immer noch staerker :-)
Aber in das schlechte management, die langen Arbeitszeiten usw muss man sich einfach einleben, und eigentlich ist's ja nicht schlecht was ich in der Firma so machen darf. (Achtung,buzzword-gefahr: mach gerade als trainings-projekt ein mvc-web application-framework in servlets und jsp's, mit jdbc-Datenbankanwendung uebers Netzwerk, jsp-custom tags und javaBeans-komponenten, bei voller Ausnutzung der produktivitaets-enhancing features der dreamweaver- und eclipse-IDEs (so ungefahr wirbt vigorsoft fuer sich). In real-und-unspektakulaer heisst das: ein paar Seiten fuer ein webshop.


Gestern bei der baroda management association einen fuer indische Verhaeltnisse sehr modernen Vortrag ueber employee relationships, motivation etc gehoert; nicht viel neues, aber die Reaktionen des Publikums (ein paar Studenten, zum groessten Teil aeltere Manager) auf Themen wie Hierarchieverflachung, Gruppenarbeit etc waren interessant. Einer der Zuhoerer hat zum Beispiel mal unglaeubigf gefragt, ob er das richtig verstanden hat: mit Gleitzeit kann doch wohl nicht gemeint sein, dass ausserhalb der Kernarbeitszeit jeder kommt und geht wann er will, das heisst doch sicher nur, dass man sich aussucht, welche Schicht man arbeitet, oder?


An einem Haus vorbeigekommen, das gerade abgerissen wird; in Indien benutzt man dazu nicht etwa Maschinen, sondern ein paar Leute, die auf der meterhohen Mauer schmalen balancieren und mit Haemmern die Steine unter sich rausschlagen...
Zitat, keine Ahnung woher: "the whole fucking subcontinent is like Disneyland without any safety measures"




[Sonntag nachmittag]

Nachdem ich gestern nach der Arbeit doch ziemlich platt war, hab ich heute einen sehr gemuetlichen Tag genossen, mit fast bis zehn schlafen, fruehstuecken (papaya, sittafal und chai), eonomist lesen (den gibt's hier, wenn auch teuer), Postkarten schreiben, Hindifilm-soundtrack hoeren (es gibt auch gute), den Affen auf dem Dach gegeueber beim lausen zusehen (einfach suess).

Hatte leichten Heimweh-Anfall, was eigentlich ueberhaupt nicht zu mir passt, hatte noch nie auch nur im entferntesten heimweh, aber war auch noch nie so lange so weit weg in einem so fremden Land.
Und es ist schon anstrengend; francois und ich haben festgestellt, das wir daheim nie so viel schlafen wie hier. Liegt wohl daran, dass einem rein koerperlich das Klima, die ungewohnte Ernaehrung, Dreck, Luftverschmutzung, Unhygiene, Chaos etc schon zu schaffen machen, auch wenn's einem jetzt nicht so auffaelt.
Aber den Indern geht's auch nicht anders, ist irgendwie beruhigend dass auch die Inder oefters mal Verdauungprobleme oder sowas haben. Und es kommt hier gar nicht mal so selten vor, dass Leute an Lungenentzuendung, Grippe, Malaria etc sterben, einfach weil viele aermere Inder durch harte koerperliche Arbeit und Mangelernaehrung in so schlechter Verfassung sind, dass sie Krankheiten nicht ueberleben, die einen Europaer nur ein paar Tage Bettruhe kosten.
Aber meinem Magen geht's wieder Klasse, mittlerweile schmeckt mir auch der company lunch richtig gut, ist auch nicht so fettig oder suess, meistens nicht so scharf, und typisch indisch und meistens doch lecker. Besteht immer aus:
Reis, Rotis (Pfannkuchen-artiges brot), gebratenes Gemuese, Dhal (Sosse/Eintopf aus Linsen, Bohnen oder sowas), Salat (Gurken,karotten, Zwiebeln) und einer suessen oder suess-sauren Sosse.


Hab im September mal mitgeschrieben, was ich so Geld ausgegeben hab. Hab's tatsaechlich geschafft, im September schockierende 30 000 Rupien auszugeben, das sind 600 Euro und damit genauso viel wie in einem Monat in Deutschland.
Allerdings sind davon 120 die neue Festplatte, 100 Euro der Roller, 40 Euro Buecher fuer die Uni, 100 Euro fuer Kleidung (hatte wenig dabei, und ist einfach billig hier)

Die normalen Ausgaben sind sehen so aus (Rs 50 = 1 Euro):
Rs 1400: Miete,Strom,Gas,trash,maid
Rs 2000: Essen (spottbillig) ,Drogerie(Klopapier, Deo etc ist alles teuer), Anschaffunge fuer die flat (Putzmittel,
Bratpfanne,..
Rs 2300: Restaurants (dinner und lunch,sollte sich dank billigem company lunch im Oktober mindestens halbieren)
Rs 1000: Rikschafahrten, faellt durch den eigenen roller in zukunft auch weg
Rs 3000: Jede Menge Buecher, CDs, Videos, Zeitschriften
Rs 400: Kino, Internetcafe
Rs 1500: Reisen, Souvenirs

Werde also im Oktober mit copany lunch und ohne Kleidung oder Buecher zu kaufen, und abgesehen von Reisen mit den 5000 Rupien Gehalt (okay, 4500, abzueglich der paar Tage wo ich krank war) so ziemlich hinkommen.
Was immer noch gelegentlichen Luxus wie importierte Lebensmittel oder Drogerieprodukte einschliesst; es gibt auch Leute die bei ngo's arbeiten und kein Geld von zu Hause bekommen, man kann hier auch von 50 Euro im Monat leben.

[Montag]

Mann, bin ich heute mal wieder spektakulaer muede, jedenfalls viel zu muede, um klar denken und bei meinem Projekt weiterkommen zu koennen. Nach dem divali-urlaub mal sehen, ob's mir frisch erholt besser geht; fuehl mich momentan ziemlich geschlaucht von der Arbeit.
Glaube, wir vigorsoft-technical-praktis sind hier die einzigen, die richtig zu tun haben; die ngo-development-leute arbeiten eh meistens mehr so auf eigene Faust und setzen sich ihre eigenen Ziele und Arbeitszeiten, und die meisten management-trainees klagen ueber Zwang zur Zeitverschwendung. Ist ja gut so, kann nur immer wieder erwaehnen wie viel ich hier lerne (wuerde mal sagen, auf jeden Fall mehr als im letzten Semester Uni), ist nur anstrengend, laufend mit Sachen zu arbeiten, die man gerade erst gelernt hat und jetzt relativ anspruchsvoll anwenden soll.
Aber ansonsten fuehl ich mich gut eingelebt; komm in der Mittagspause jetzt immer mit harendra zum quatschen, der bringt mir im Gegenzug fuers deutsch hindi-woerter bei, quatsch dann immer mit Mayur, der auf der Treppe eine raucht, waehrend ich mich in die Sonne setze und dern Rest der lunch hour Zeitung lese. Und gestern hab ich's tatsaechlich geschafft, den Wasssermelonen-verkaeufer um 30 rupien runterzuhandeln; weiche Leuten mittlerweile instinktiv nach links aus, beim internetcafe und dem drogerieladen im die Ecke kennen sie einen schon, fuehl mich mittlerweile in Baroda richtig integriert.
Gehoert sich auch so, bin schliesslich seit Thomas' endgueltiger Abreise vor ein paar Tagen und nachdem die "alte Generation" in den letzten Wochen komplett abgereist ist "grandfather" (prakti mit der laengsten Anwesenheitszeit in Indien).

Was ich auch mal erwaehnen muss, ist dass krimialitaet zumindetst fuer mich hier kein Problem ist. Natuerlich muss man auf Taschendiebe, Betrueger und sowas aufpassen, und es kommt auch mal zu unangenehmen Situationen, wenn man z.B. auf dem Heimweg von der Arbeit mal falsch abbiegt und sich dann im Dunkeln in einem Slum wiederfindet. Aber man kann problemlos nachts alleine durch die Strassen gehen, ohne Angst haben zu muessen, ueberfallen zu werden. Die weiblichen Trainees beschweren sich oefters ueber verbale oder im Gedraenge auch mal handgreifliche Belaestigung durch Maenner, aber das ganze Frauenbild, Geschlechterrollen etc ist wieder ein ganz anderes umfangreiches Thema.

12 Oktober 2003

Hab heute ein paar sehr liebe emails bekommen. Loeste eine halbe Heimweh-Attacke aus (was mir noch absolut nie passiert ist), weil mir bewusst wurde, dass es jede Menge Leute zuhause gibt, die ich wirklich gern mag und die ich jetzt lange nicht mehr sehen werde.
Haette nicht gedacht, dass ich mal sowas wie Heimatgefuehle entwickeln wuerde, weil ich eigentlich ein Typ bin, der sich immer da zuhause fuehlt, wo gerade das Kopfkissen liegt. Aber es wird einem schon bewusst, dass man sich hier zwar sauwohl fuehlen kann, aber trotzdem nie so "ankommt" wie zuhause.
Auch wenn ich mittlerweile deutlich 'assimilierter' bin; hab heute mal die 'chalte-chalte'-soundtrack-cd aufgelegt und genossen, mit einem kollegen, der vor dreissig jahren mal deutsch gelernt hat und der mich immer nach deuschen woertern fragt ausgemacht, dass er mir im Gegenzug hindi beibringt, mich neulich beim company lunch ertappt, wie ich beim oeffnen der schaelchen 'oh cool, heute gibt's paneer palakh' gedacht hab, und solche Sachen, die einem gar nicht so auffallen, aber doch zeigen dass man sich an das ganz normale Leben hier angepasst hat.

Ansonsten ruhigen Sonntag genossen, aufs Dach gelegt,Sittafal gegessen(Obst, sieht aus wie grosse litchis, schmeckt aber anders), die Sonne genossen im vollen Bewusstsein, dass es rein gar nichts gibt was ich momentan besseres machen koennte als das hier.
Morgen faengt die (letzte!) Sechstagewoche an, Motivation bitte dringend kommen.
Von dem intranet-portal, fuer das ich urspruenglich engagiert wurde, redet niemand mehr (nachdem vorherige Trainess das in php fast fertiggestellt und die letzten es dann nach jsp umgeschrieben haben); komme nach den divali-ferien in das infradesk-team (einer der drei grossen Auftraege, mit denen die Firma ihr Geld verdient), das heisst gelegentlich Stress und Zeitdruck, aber dafuer eben die Chance an einer konkreten, professionellen Applikation zu arbeiten.
Hab die Woche nebenbei schon mal ein paar javascripts fuer den html-prototyp der benutzeroberflaeche gemacht; war sehr zufrieden mit mir, als ich das in der gesetzten Zeit hingekriegt hab, nachdem naresh zu rohit gemeint hat, ich wuerde das wohl nicht rechtzeitig schaffen (Gespraeche mit Vorgesetzten laufen hier meistens so ab, dass der unmittelbare Vorgesetzte mit dem Teamleiter ueber einen redet, waehrend man dabei ist, aber natuerlich ohne einen in das Gespraech mit einzubeziehen, das ist *sehr* merkwuerdig).

Und jetzt wieder ein paar weniger ernsthafte Themen:

Hab ich schon erwaehnt, dass wir eine neue (non-stick!) Bratpfanne in der flat haben? Spiegeleier, Pfannkuchen, hmm.
Seitdem ich hierbin wird unsere flat langsam aber unaufhaltsam zivilisierter und komfortabler.

Ach ja, in einer der emails *sehr genuesslich* von nasskaltem Wetter in Deutschland gelesen; hier wirds jetzt erst richtig schoen (weil nicht mehr so affenheiss).

Gestern abend mit Johanna und Chatanu in dessen Auto zu la casa gefahren (die sind vorbeigekommen, um unsere 'saecke-mit-von-vergangenen-trainees-zurueckgelassener-kleidung-von-der-niemand-mehr-weiss-wem-sie-gehoert' mitzunehmen und bei ihrer Hilfsorganisation abzuliefern.
War richtig merkwuerdig, mal wieder in einem Auto zu fahren, war die lezten Wochen immer per Rikscha unterwegs, oder hoechstens mal zu siebt in einem Kleinwagen von einer Party zurueck. Federung! Klimaanlage! Radio! Bequeme Sitze! Lautloser Motor!
Dann mit Chatanu ueber Autos geredet, der meinte z.B. dass der opel corsa schon groesse ist als sein maruti, aber halt auch um einiges teurer, dafuer auch mit starkem motor. hatte lange bevor ich hierher kam mal einen artikel in wired ueber die softwarindustrie in bangalore gelesen, in dem von einem opel astra als luxusauto der erfolgreichen die Rede war; hat mich damals gewunder, jetzt ueberhaupt nicht mehr, ein Opel Astra *ist* ein wirklich grosses luxurioeses Traumauto.

07 Oktober 2003

Heute ein etwas konfuser Post, einfach Sachen, die sich die letzten zwei Wochen in meinem "posts-die-ich-schreibe-wenn-ich -in-der-Arbeit-auf-was-warten-muss"-textfile angesammelt haben:

Mann, bin ich jetzt (Samstag, 17:30) muede, wird hoechste zeit fuer den freien Sonntag. War gestern mit francois, matthias und yukari im Kino, und nachdem hindi-filme deutlichlaenger dauern erst um ein uhr zurueckgekommen.
Und gestern bis um halb zwei auf der Abschiedsparty von sim und klara gewesen, und dann daheim noch verratscht.
Dafuer geht's meinem Verdauungstrakt wieder besser, eine halbe Stunde lang noch nicht einschla..f....e.....

War gestern abend noch mit Louise beim Shopping, in einem richtig schicken, mittelgrossen, sauberen, teuren Kaufhaus, das neu eroeffnet hat. Viel Geld ausgegeben (knapp 4000 Rupien, das ist fast ein Monatslohn), andererseits waren z.B. umgerechnete 25 Euro fuer eine Levi's jeans... Schoen wenn man Geld ausgeben kann und dabei spart!
Ausserdem hat Louise zugegebenermassen einen guten Blick fuer Mode.

Hab mir auch einen dicken Stapel an Standard-inormatik und bwl-buechern fuer die Uni gekauft. Die sind hier oft auf duennerem, dunklerem Papier gedruckt, kosten dafuer aber auch so zwischen 300 und 500 Rupien, selbst wenn ich nochmal so viel fuers schicken dazurechne kommt das auf weniger als ein drittel des europaeischen Preises.

War am Mittwoch in Ahmedabad (Haupstadt von Gujarat), nicht sooo viel davon gesehen, bin kurz vor zwei angekommen (ja, der bus von Baroda nach Ahmedabad braucht fuer ca. 120 kilometer wirklich fast drei Stunden), dann mit Katrin, die ich vom Xps-seminar kenne, und die jetzt in Ahmedabad ist, und einem trainee-kollegen zum lunch getroffen (das erste Subway das ich ausserhalb der usa gesehen hab; sehr lecker und sehr teuer (ein groesseres Sandwich 120 Rupien, und sehr amerikanisch).

Dann noch etwas im Crossword gestoebert (kette von groesseren buchlaeden, gibts in baroda auch , aber kleiner, hab mir ein paar amerikanische Zeitschriten mittgenommen) und dann den GMAT abgelegt. Da waren abends noch jede Menge Leute,die Inder sind alle ganz versessen darauf, im Ausland, und insbesondere den usa zu studieren; die waren natuerlich alle ganz amuesiert, dass ein europaer zum gmat-schreiben nach Indien kommt. War in Ordnung (710 Punkte auf einer Skala von 300 bis 800, das würde auch für Harvard reichen).

Hab mail von Julia bekommen, sie meint dass es sehr merkwuerdig ist, wieder in Deutschland zu sein, dass es schwieriger ist sich in der gewohnten Umgebung wieder zurechtzufinden; wenn man nach Indien kommt erwartet man, dass alles anders und seltsam ist; wenn man dagegen nach Deutschland zurueckkommt erwarte man nach Hause zu kommen, ohne daran zu denken, dass man selber nicht mehr derselbe ist wie vorher, und dass die vertraute umgebung evtl ganz anders wirkt, und vielleicht Probleme hat, sich an die Veraenderungen seines Charakters zu gewoehnen...aber wie kann eigentlich jemand erwarten, dass ein paar Monate Indien einen nicht veraendern?
Merke das auch an mir selber; zum einen gewoehnt man sich (nur zum Teil natuerlich) an die Art, wie das Leben in Indien ablaeuft, zum anderen ist es einfach die Situation, in einer fremden Situation mit fremden Leuten zusammengeworfen zu werden, die einen veraendert. Man achtet z.B. sorgfaeltiger darauf,was man sagt und wie man handelt, und wie das auf andere wirkt,weil man sich einfach bewusst ist, dass selbst die Leute, die einem hier vertraut sind, wie z.B. die flatmates, aus ganz anderen Kulturkreisen stammen, ganz andere Ansichten haben etc.
Man kommt mit *sehr* unterschiedlichen Charakteren zusammen, und das ist gut so, man muss nicht alle Ansichten gutheissen, oder alle Leute moegen, aber es wird einem einfach bewusst, dass ein guter Teil seiner persoenlichen Vorstellungen, Werte, Gewohnheiten etc halt kein Naturgesetz sind, sondern einfach nur Ansichten, die genauso gut auch anders ausfallen koennen.
Und andererseits gibt es dann auch wieder Sachen, die einfach strange bleiben; weiss nicht mehr, wer das gesagt hat, aber es stimmt: "There's culture, and then there's stuff that's just silly".
Das ganze erweitert einfach die geistigen Scheuklappen, und mann tut sich schwer, Leute zu verstehen, die die eigenen willkuerlichen Vorstellungen fuer gegebene Tatsachen halten. Schaetze, das ist auch der Grund, warum ich mich mit sehr religioesen Leuten schwer tue: Religion neigt genau dazu, sehr willkuerlich gesetzte Werte und Grenzen als fixe gegebene Tatsachen zu behandeln. (Was jetzt nicht heisst, dass ich was gegen Religion haette, ich hatte z.B. mit dem Vertreter des Ashrams, der uns was zu Sri Aurobindo und indischer Spriritualitaet erzaehlt hat, eine sehr interessante Diskussion, weil er eben nicht seine Ansichten fuer die allein seligmachenden hielt.)
Was mir noch auffaellt ist, das man sehr staerker auf andere Leute achtet, man passt z.B. darauf auf, dass sich neue Leute wohlfuehlen, weil man weiss, wie hilflos man die ersten Tage selber war, man freut sich, wenn man eine Moeglichkeit findet, anderen weiterzuhelfen etc Und gerade weil man es gewohnt ist, auf Zwischentoene zu achten (auch eine Nebenwirkung der eher impliziten indischen Art) , ist es eher merkwuerdig, wenn es jemand anders nicht tut, wenn z.B. jemand aus Deutschland anruft und auch den zweiten Hinweis, dass es jetzt eher unguenstig ist ignoriert.
whoa, personal stuff :)

Antwort eines Inders auf die frage, warum man Kaffee nicht *ohne* tonnenweise Milch und Zucker brauen kann: "aber nein, das machen die armen Leute!".

Nachdem Marian (der slovakische vigorsoft-trainee) sich die umgerechnet 1-3 Euro fuer ein Mittagessen in New Alka nicht leisten kann oder will (die osteuropaer haben sehr viel weniger Glueck mit dem Umrechnungsfaktor zu indischen Rupies als wir in Euroland) haben wir seit zwei Wochen immer den "company lunch", das ist von der Kantine geliefertes, sehr maessiges Essen (ueblichersweise Reis, labbrige Rotis, Salat und zwei scharfe undefinierbare Gemuesesossen. na ja, ist billig, macht satt. Und gesuender als das fettige Restaurantessen.
Wir westlichen Praktis haben wirklich Glueck mit dem Wechselkurs, fuer die Leute aus z.B. Osteuropa sind die Lebenshaltungskosten gar nicht so guenstig.

Letzten Sonntag in Ellora 5 getroffen, um bei einer gemuetlichen brunch den gandi-film anzuschauen, zumindest war das der Plan. die brunch hat sich dann etwas laenger ausgedehnt (Obstsalat, Pfannkuchen, und was-die-Leute-mitbrachten), bis endlich der (gemietete) Modell-70er-Jahre-Fernseher und der (ebenfalls gemietete) videoCD-player (ja, das gibt's hier wirklich; video-cds sind billiger und deshalb hier viel beliebter als dvds, vhs-video gibt's gar nicht) eingetroffen sind. Und dann hatte der Fernseher natuerlich keinen Video-Eingang, wir haben trotzdem ein Bild gesehen, wenn der stecker nur in der Naehe war, echt strange.
Leider war der Film dann auf Hindi, aber wir waren eh alle beim quatschen oder schlafen. War nett als gemeinsames einen-ruhigen-Sonntag-geniessen.

War gestern abend wieder fit genug, um zum united way-navtratri garba zu gehen. (Uebersetzung: Navratri=tanzfestival, garba=einzelne Veranstaltung, united way=gemeinnuetzige Organisation, veranstaltet die groesste und teuerste garba).
Der Abend wurde ein gutes Beispiel dafuer, dass flexible indian-style organisation auch in die Hose gehen kann: Jeder hat jeden gegenseitig verfehlt, im Gewusel haben sich die Gruppen verloren, niemand wusste, wo wir eigentlich hingehen, und wie man da hinkommt, und dann hab ich auch noch den Schweizer, der auf meinem Scooter mitgefahren ist, in der Menge verloren. Der Arme ist neu angekommen, und zu Besuch aus Ahmedabad, sprich er kennt sich hier kein bisschen aus, hoffe er hat's dann geschafft, zu einer der trainee flats zu finden, konnte ihn beim besten Willen in der Masse der mehreren zehntausend Feiernden nicht mehr finden.

Montag

war am Wochenende mit Carmel, Johanna, Aluzio und Andrey (die beiden letzteren neu angekommen aus Brasilien und Venezuela)in ahmedabad, um Gandi's ashram zu besuchen. Sind Samstag abends losgefahren (drei Stunden Zugfahrt in general class = ungepolsterte Holzbank, zugfahren ist aber trotzdem eigentlich immer nett, man faehrt eigentlich nie irgendwohin ohne mit den Nachbarn ins Gespraech zu kommen, und auf jedenfalll bequemer als Busfahren), erst mal am Bahnhof rumgesessen, weil die Organisation, uns am Bahnhof abzuholen erstmal nicht geklappt hat, und dann zur party eines kalifornischen Kollegen eines der trainees in Ahmedabad, den wir bis jetzt nicht kannten und der das Ende seines Praktikums bei einer NGO feierte. Nachdem Alkohol in Gujarat illegal ist haben wir mitgeholfen, die Beweise zu vernichten. Sind dann irgendwann in den Morgestunden alle auf dem Dach eingeschlafen.

Dementsprechend am Sonntag erst gegen Mitag losgezogen. gandi's ashram ist echt nett; nichts spektakulaeres, man sieht halt die wohn- und schlafraeume (sein Zimmer war sehr kahl, mit einer Matratze, einem Spinnrad, einem Regall und sonst nichts), saemltliche weltliche Besitztuemer gandi's (ein holzteller, ein Metallteller, zwei loeffel etc, passt alles in eine Vitrine), eine kleine Ausstellung mit Photos und Schriften aus seiner Zeit dort etc.
Und sehr entspannende Athmosphaere, schoene Aussicht ueber den Fluss etc.
Sind dann noch in Calico textile museum, wo religioese auf Stoff gemalte Wandbehaenge gezeigt werden. Fand ich eher langweilig; eine Fuehrerin mit schriller stimme hat halt mehr oder weniger "und hier sieht man Festival X fuer gott Y, mit einer Szene aus der Geschichte des Koenigs Z" bei jedem Wandbehang erzaehlt. Aber schoen waren sie zugegebenermassen schon, und das Haveli (prunkvolles altes Haus reicher Haendler) des Museums ist echt beeindruckend, mit Schnitzereien, Mosaiken im Fussboden etc, und das ganze liegt in einm botanischen Garten mit Palmen und Springbrunnen.

Die Rueckfahrt im Zug war dan eine echte indian experience; sind gerade rechtzeitig zum Zug gekommen als er schon dabei war abzufahren, dementsprechend einfach in einen beliebigen Waggon gestiegen statt die general class (die billigste Klasse [70 cent einfach fuer 130 km], und die einzige die man problemlos ohne Reservierung noch kurz vor der Abfahrt kriegt) waggons zu suchen (indische Zuege sind *sehr* lang, mit einem halben Dutzend Klassen).
Sassen also in two tier ac auf dem Gang. Nachdem wir dort weder viel Platz noch die richtigen Tickets hatten sind wir beim naechsten halt ausgestiegen, zum richtigen waggon gelaufen und uns dort waehrend der zug wieder losfuhr ans Gelaender gehaengt und in den Waggon reingedrueckt. Carmel ist in Panik geraten, da sie Angst hatte, die ganze Fahrt ueber sich aussen am Gelaender festhalten zu muessen, die musste ich ansschreien, um ihr klarzumachen, dass sie nicht ohne Fahrkarte oder Fahrplan auf einem unbekannten Bahnhof im Nichts zurueckbleiben kann. Haben uns dann erfolgreich in den Zug reingedrueckt, und der Zug war dann *voll*, und mit voll meine ich nicht, dass saemtliche Sitz- und Stehplaetze besetzt waeren, sondern dass selbst mit Gewalt keine fuenf Leute mehr in den waggon gepasst haetten und man froh ist, nicht zerquetscht zu werden, wenn der chai-verkaeufer, bettelnde Transvestit etc sich durchdrueckt.
Als einer der Tee-Verkaeufer dann einen Besoffenen mit der heissen Kanne beruehrt hat, hat der ihn verpruegelt, und es sah kurz so aus als wuerde sich daraus eine Schlaegerei-und-Massenpanik entwickeln, das war der erste Moment in Indien bei dem ich wirklich Angst hatte dass was passiert, insbesondere nachdem Aluzio (neu in Indien) und Carmel (klein und zierlich) dabei waren.

02 Oktober 2003

So, erklaere mich nach einer guten Woche Magenschmerzen-und-schlapp-im-Bett-liegen jetzt wieder fuer fit, geh morgen wieder in die Arbeit und heute abend zur Navratri-garba (navratri ist das grosse Tanzfestival, das seit letzter Woche laeuft, das sind ueberall in der Stadt grosse (und damit mein ich: tausende von Taenzern) Festivals mit Musik und simplen, aber ausdauernden Taenzen. Kann dazu auch mal meine Kurta (traditionelles indisches Maennergewand) anziehen.

Hatte die Woche durchaus einen Moral-Durchhaenger als mir eingefallen ist, dass ich mein Praktikum hinschmeissen, mich zwei Wochen in Goa in die Sonne legen und locker zum naechsten Semester zurueck an der Regensburger Uni sein koennte.
Ist wohl das, was sich culture shock nennt, nachdem ich mich mittlerweile so in Indien eingelebt hab, dass der Alltag halt nicht mehr so viel neues bietet, und Routine einsetzt. Gelegentlich vergisst man, dass man sehr weit von zu Hause weg ist. Und abzueglich des neu-und-aufregend Faktors ist das Leben hier halt einfach mal anstrengender, heisser, komplizierter und tausendmal unkomfortabler.

Aber dann gibt's ja noch die flatmates, die einen morgens im Bett zwingen, salzige Cola-mit-Elektrolytloesung zu trinken, damit man auch ja nicht dehydriert, und wenn man gerade glaubt, es kann einen hier nichts mehr ueberraschen entdeckt man hinter der naechsten Strassenecke wieder was faszinierendes. (z.B. den Schuster, der am Strassenrand zwischen seinem Equipment hockt und einem fuer 8 Rupien (15 euro-cent) die Schuhe flickt, oder Francois' und Matthias' Yoga-Lehrer, der unangemeldet ploetzlich beim abendessen in der Wohnung auftaucht, um anzukuendigen, dass morgen keine Yoga-lesson stattfindet, weil er da fasten und seinem Gott huldigen muss). Und ausserdem will ich ja noch viel zu viel in Indien rumreisen, und eigentlich gefaellts mir in der Arbeit ja doch ganz ordentlich, und wem's hier langweilig wird der ist echt selber schuld. Und ist wohl auch angeblich das wertvollste am andere-kulturen-erleben, wenn man eben laenger als diese sechs-wochen-in-denen-alles-neu-und-aufregend-ist bleibt und sich eben wirklich hier einlebt. Moral-durchhaenger hiermit also offiziell beendet :)

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