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Um was geht's hier? Berichte und Photos von meinem Aiesec-Praktikum 2003 bei Vigorsoft in Baroda (Gujarat, Indien).
Die Photos finden sich unter dem links rechts.
Und wen mein ganzes Geschreibsel interessiert, der klickt auf die "archive"-links am rechten Rand oben; auf der Hauptseite erscheint nur der aktuelle Monat.

18 Oktober 2003

Wollen das von neulich mal relativieren, gestern und heute hatte ich, na
ja, Spass ist das falsche Wort, aber fast Spass in der Arbeit.
Hab gestern ausgeholfen, aus den jsp's einer alten webanwendung den
html-interface-prototyp der neuen version zu basteln; natuerlich will
einem mal wieder niemand sagen, wozu das gut ist, wie die Anwendung
designt ist, mit was der Teil, an dem man arbeitet zusammenspielt etc,aber
wenigstens konnte ich was relativ interessantes konkret nuetzliches
machen, und das bis kurz vor acht uhr abends, nachdem dann kurz vor der
deadline noch alles ganz ploetzlich fertig werden musste, da war dann
natuerlich keine Zeit mehr fuer ordentliche Struktur, macht dann echt
Spass wenn man kurz vor knapp im aus zeitmangel selbstverschuldeten chaos
noch die siebzehnte kosmetische Aenderung durchfuehren darf.

Und heute bastel ich die PostgreSql-statements fuer die Tabellen meines
kleinen webshops, die beans, um das ganze zu verpacken, und den parser,
der dann aus einem xml-file den programmablauf liest; bin nicht mehr so
muede, da geht wenigstens was vorwaerts, und die Zeit vergeht auch
ungleich schneller. Was jetzt nicht heisst, dass ich nicht gelegentlich
dran denken wuerde, dass ich um die Zeit (kurz nach vier) bei
europaeischen Arbeitszeiten gerade aus haette...

Amuesanter fact am Rande: glaube, ich habe in den knapp neun Wochen bei
vigorsoft bis jetzt mehr programmiert als in saemtlichen Semestern Uni
zusammen.

Wollte gestern mit Jahun und Tomomi ins Kino, leider lief da als wir
hinkamne wegen "technischer Probleme" gerade gar nichts, sind dann nach
ellora five und haben marian mitgenommen und waren dann in nizampura zum
quatschen, trinken und pfannkuchen (ich liebe meine neue Bratpfanne, damit
kann sogar ich kochen) spachteln.
Francois hat sich beschwert, dass er fuer seine Wirtschaftsuni zahlen muss
"mais pas les ingenieurs!',Jahun hat den Unterschied zwischen Pim Fortuyn
und wirklichen Rechtsextremen erlaeutert,Matthias hat den anderen zu
erklaeren versucht, wie deutsche Direktmandate fuer den Bundestag
funktioneren, Louise hat bedauert, dass der daenische Kronprinz jetzt
verheiratet ist, wir haben den deutschen Gewinn der
Fussballweltmeisterschaft gefeiert (Frauenfussball!), Marian hat von
seinen Erfahrungen im klopapierlosen Benutzen eines indischen Klos
berichtet, Andrey hat wie immer zu viel und zu langsam geredet, Tomomi hat
sich ueber die deutsche Direktheit amuesiert (sind wir wirklich _so_
direkt?),und vieles anders mehr. Lustiger Abend.

Einen Aufenthalt in Indien sollte es in Deutschland auf Rezept geben;
heilt jegliche Angst vor Arbeitslosigkeit, und auch vielem anderen, wenn
einem klar wird, dass es der aermsten Sau in Deutschland materiell besser
als mindestens 80% der Inder selbst mit nochsoviel Arbeit und Glueck je
erreichen koennen.
Ganz egal was passiert, man wird in Deutschland nie hungern oder auf der
Strasse schlafen muessen, also wovor sollte man Angst haben?

Vermisse eine sueddeutsche Zeitung; wir haben im buero zwar times of
india, aber die meisten Artikel sagen mir entweder nichts (ueber indische
Politiker, filmstars) oder interessieren mich nicht (Sportteil = cricket,
und das ist rein objektiv gesehen stinklangweilig). Und natuerlich gibt's
etliche Meldungen der Art "Krankheit x in provinz y ausgebrochen" oder "a
Leute bei (Streik|riot|religionsunruhen|polizeibrutalitaet|demonstration)
(erschossen|verwunden|verschwunden)", aber ansonsten kriegt man von sowas
zum Glueck wenig mit (okay, es ist mal vorgekommen, dass sie in der Arbeit
mittags gemeint haben, es ist heute besser, eher zu gehen und zu hause zu
bleiben, aber das war uebertrieben, und reine Vorsicht).
Und von Kriminalitaet bedroht fuehlt man sich eigentlich nie; in Indien
wird man ehrlich abgezockt, angebettelt etc.
Andrey aus Venezuela faellt das besonders auf; waren nach der german
presentation nachts zu fuss auf leeren Strassen unterwegs, mit dem Laptop
im Rucksack, dessen Preis fuer die meisten Inder mehreren Jahreseinkommen
entspricht, da hat er gemeint, zuhause waere das gefaehrlich. Aber
gefaehrdet fuehlt man sich eigentlich nie; ausserdem ist ziemlich viel
Polizei auf den Strassen (wegen befuerchteten muslimischen
Terroranschlaegen, mit Gewehren Jahrgang erster Weltkrieg, und
Schlagstoecken, die hier noch woertlich zu nehmen sind (mannshohe
Holzstaebe)).

Hab von Rohit den Hinweis bekommen, dass es eine website gibt, auf der man
die Verfuegbarkeit von Plaetzen in Zuegen klaeren kann, und dass man auch
nach Delhi kommt, wenn man einen langsameren Zug zu einem
kaff-auf-dem-weg-mit-ein-paar-interessanten-Tempeln nimmt, das dauert
einen Tag laenger, aber dafuer gibt's noch fahrkarten. Und zurueck werd
ich halt dann fliegen, das kostet zwar fast einen Monatslohn, aber
andererseits sind das nicht mal hundert euro, und dafuer komm ich jetzt
tatsaechlich noch ueber divali nach delhi und agra, das waere fuer einen
wochenend-trip zu weit.

Die internetseite der indischen Eisenbahn ist uebrigens ein Musterbeispiel
an "user interface design, wie wann's nicht machen sollte": Bringt gleich
mal eine harmlose, aber den User abschreckende Javascript-Fehlermeldung,
ist extrem unuebersichtlich, haesslich und unkomfortabel, zwingt den
Benutzer, in Begriffen des Betreibers (Zugnummern) statt den des Benutzers
(wo will ich hin) zu denken, und das schoenste: bei so ziemlich jeder
Abfrage kommt ein Dialogfeld (nur leicht paraphrasiert) "Ihnen ist
hoffentlich klar, dass diese Abfrage eine wirklich grosse Arbeitsbelastung
unseres Systems zur Folge hat. Bitte vermeiden sie unnoetige oder
wiederholte Aufrufe dieser Funktion, sonst raucht der Server ab. Danke."

Matthias musste wegen schlechter Nachrichten von zuhause kurzfristig
heimfliegen, hofft in zwei Wochen oder so wiederzukommen. Ist momentan
ganz schoen leer in der Wohnung (nur Louise, Francois und ich)

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