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Um was geht's hier? Berichte und Photos von meinem Aiesec-Praktikum 2003 bei Vigorsoft in Baroda (Gujarat, Indien).
Die Photos finden sich unter dem links rechts.
Und wen mein ganzes Geschreibsel interessiert, der klickt auf die "archive"-links am rechten Rand oben; auf der Hauptseite erscheint nur der aktuelle Monat.

19 November 2003

[Freitag]
Gestern mit Jeroen getroffen,der hat meinen scooter angeschaut, konnte
aber auch nur bestaetigen,dass die Kupplung hin ist. und das Ding in eine
Werkstatt muss. Hab ihn also die Strasse runter zu einer "Werkstatt" (Mann
mit karren voller Werkzeug) geschoben. Der hatte aber schon zu, also
weiter zur Autowerkstatt nebenan, die haben ihn kurz angeschaut, konnten
aber nichts machen. Nach laengeren Verhandlungen (ich kann kein gujarati,
die Mechaniker waren sieben Leute, in typisch indischer Sprachverteilung,
will heissen fuenf koennen null englisch, einer ein paar Brocken, und
einer genug, um ihm klarzumachen, was ich will) haben sie dann einen
scooter mechanic angerufen, der hat ihn mitgenommen.
Heute mittag wieder hin, erstmal eine halbe Stunde Warten und
Verstaendnisschwierigkeiten, dann ist der Kumpel des Automechanikers
gekommen und hat mich auf dem Motorrad zur scooter-werkstatt gebracht. Der
hat dann gemeint, (zumindest soweit ich's verstanden hab) das hat er jetzt
voellig verschwitzt, ich soll abends wiederkommen.
[freitag abend: hab ihn wieder! Der Adrenalinstoss nach zehn minuten durch
den rush hour-verkehr heimfahren beseitigt jede Muedigkeit nach der Arbeit
:)]

Gestern abend in der Wohnung erstmal gekocht, gemuetlich gegessen, ein
Bier aufgemacht (neues Gesetz, man kann als Auslaender jetzt in manchen
hotels alkohol kaufen), gute Musik aufgelegt, und dann zu viert mehrere
Stunden die ganze flat geputzt,war echt noetig, die maids putzen nur den
Fussboden, und das nicht richtig.
Manche lange nicht mehr benutzte Schranktueren will man nicht wirklich
oeffnen, und wenn man ein altes Poster in der Kueche abmacht kanns schon
mal sein, dass man ein paar Kakerlaken ihrer Heimat beraubt. Jetzt ist die
Wohnung zumindest wieder auf schmutzigem europaeischem Standard.

[samstag nachmittag]
gerade hat in der arbeit niemand mehr so richtig was zu tun, die Sachen
fuer die Woche sind eigentlich fertig, und der teamleiter nicht da, also
testet man halt so halbherzig rum. Und hauptsaechlich quatschen ich,
marian, arindam und ranjan ueber die Verhaeltnisse in unseren Laendern.
Jetzt noch ein paar Stunden bis um sechs rumbringen, und dann ist
Wochenende und leaving party von philip, tomomi und johanna.

Indien spielt gerade cricket gegen new zealand, ranjan verfolgt das auf der
times of india -website, hab mir mitterweile genuegend
cricket-fachausdruecke erklaeren lassen, um tatsaechlich zu verstehen,
wie's steht (Stand nach 8 overs: 54 runs, run rate 5,8, 5 legbys, 3
wideouts, 0 leg before wicket). Sport ist in Indien fast gleichbedeutend mit Cricket,
auch wenn sich die Faszination mir noch nicht erschlossen hat. Kurzbeschreibung: Baseball fuer Exzentriker ;-)
Was mir bei Fernsehuebertragung auffaelt, ist, dass die Spieler bei allem Ernst immer sehr realaxt aussehen, kein Wunder, wenn ein Match schon mal ueber drei Tage geht, inklusive Mittags- und Teepause.

fun fact aus dem lonely planet: Wenn ein touristen-orientierter Inder
fragt, ob man zum ersten Mal in Indien ist, auf keinen Fall ja sagen, was
er eigentlich wissen will ist, ob man weiss wie's laeuft oder ein
harmloses lukratives greenhorn ist.

Unglaublich aber war, es gibt bei vigorsoft kein Anforderungsdokument fuer
die Anwendung, die wir entwickeln. (Zitat rohit: unfortunately it's not
with us) Von wem oder wie dann entschieden wird, wie was auszusehen hat
hab ich noch nicht rausgefunden, wahrscheinlich goettliche Eingebung oder
kosmische Hintergrundstrahlung.
Sowas wie einen Ueberblick ueber die Architektur, Verwendung von
existierenden Komponenten, Standards fuer Dateinamen, anzuwendende
Verfahren etc gibt's auch nicht.
Was es gibt sind "java coding standards", die hat aber wohl schon laenger
niemand angeschaut; sind eh nur von c++ uebernommene allgemeine Angaben.
Das einzige, was jeder macht, ist, ungarische Notation zu verwenden,
sprich jeden Variablennamen mit einer liste von abkuerzungen fuer typ und
gueltigkeitsbereich zu beginnen, fuehrt zu absolut un-im-kopf-behaltbaren
Bezeichnern wie x_i_btnButtonHandler; zum Ausgleich spart man dafuer
wieder an den Kommentaren, es gibt meistens keine, und damit mein ich
null, nada, niente.


Hab, glaub ich, den Punkt des abnehmenden Grenznutzens erreicht bezuegl
meines praktikums; hab viel von dem low-level technischen Sachen gelernt,
aber jetzt, wo's darum geht, konkret ein groesseres Projekt zu entwickeln,
hoert ihre Kompetenz eindeutig auf, und es macht keinen Spass, ohne
irgendwelchen klaren Aussagen im Chaos dahinzusschwimmen.
Ist auch nervig, staendig von mir aus mit "ich bin fertig, wo geht's
weiter, was ist geplant" kommen zu muessen, die grundsaetzliche attituede
ist eher, mich mal machen zu lassen, und momentan ist etwas der Stress
raus, wenn nicht gerade ne deadline ansteht, sind sie immer erstaunt, wenn
ich schon fertig bin, und ich muss drum betteln, neue Aufgaben zu kriegen
[und ich behaupte jetzt keineswegs, besonders produktiv zu sein, ganz im
gegenteil, wenn man den ganzen Tag im Buero sitzt schlafft man nachmittags
schon mal ab, und zwar massiv]
Dass ich Mitte Januar aufhoere statt Mitte Februar und laenger reise hab
ich fuer mich beschlossen, aber wenn mir was besseres einfallen wuerde,
wuerde ich auch sehr bald aufhoeren. Muss mal mit den aiesecern reden,
vielleicht kann ich in andere Unternehmen ein paar Tage reinschnuppern,
oder ein paar Kurse and er Uni als Gasthoerer belegen, von sowas haette
ich sicher mehr als von noch ein paar Wochen vigorsoft.
Aber frueher heimfahren will ich auf keinen Fall, dafuer hab ich heir
zuviel Spass, und dafuer ist Indien immer noch viel zu faszinierend.

Wochenende war richtig nett, am Samstag grosse Abschiedsparty fuer
Johanna, tomomi und philip, mal wieder nicht nur auf dem dach einer der
trainee flats, sondern bisschen ausserhalb in einem gemieteten farmhouse.
Gut, dass ich meinen Roller wieder repariert hatte, nachdem die autos mal
wieder knapp waren, um alle hinzutransportieren (gut zehn kilometer).
Indische Strassen bei Nacht sind durchaus aufregend, aber immerhin geht
mein Licht, das ist mehr als bei vielen anderen Verkehrsteilnehmern
[Preisfrage: Auf einer indischen Strasse kommt dir ein Licht entgegen, was
ist das? a) ein Motorrad b) ein Fahrrad c) ein Lastwage, bei dem nur ein
Scheinwerfer geht? Richtig ist natuerlich d) irgendwas der obigen
Antworten, und dazu noch beliebeig viele Fahrzeuge, Kuehe oder Affen
voellig ohne Licht]
Richtig nette Party, bis fuenf Uhr morgens, dann noch eine Wasserpfeife
geraucht und draussen auf einem Matratzenlager geschlafen.
Und hab Lale wieder getroffen, die ich (wie Sarah) auf dem
aiesec-vorbereitungsseminar kennengelernt hab, und die seit zwei Wochen
unglaublicherweise ein praktikum in ahmedabad macht.
Schoen, wieder neue Leute zu treffen, weil's natuerlich traurig ist, wenn
andere, mit denen man ein paar Wochen oder Monate kontakt hatte wieder
fahren. Nur Nadine und Carmel sind jetzt noch frueher gekommen als ich,
und dabei hab ich gar nicht das Gefuehl, lange hier zu sein.

Meine Amerika-Bewerbung ist jetzt fertig, und bei Josef zum abgeben, es
hat tatsaechlich geklappt, alle Unterlagen zusammenzukriegen, kann jetzt
nur noch hoffen und an die Entscheidungstraeger emails schreiben.
Hiermit nochmal ein herzliches Dankeschoen an alle, die mir dabei geholfen
haben; ohne support-team in der Heimat waer das unmoeglich gewesen.

email von olli bekommen, der mittlerweile seit ein paar Monaten in
colorado ist, haelt mich fuer positiv vollverrueckt, dass ich das hier
mache, und teilweise muss ich ihm schon zustimmen. Ist mir selber nicht so
aufgefallen, weil ich einen super Einstand hatte, aber dass robert und
sarah anfaenglich so gar nicht gluecklich waren laesst sich einen schon
wundern, dass es nicht mehr praktis gibt, die nach ein paar Tagen entsetzt
das naechste Flugzeug nach hause nehmen.
Aber einfach waer ja langweilig, und insgesamt gibt's hier viel zu viele
grossartige Erlebnisse, die leichte komfort- und vertrautheits-einbussen
locker wieder aufwiegen.

Die aiesecer scheinen momentan ziemlich den Ueberblick ueber ihre Praktis
verloren zu haben, hab neulich mal abends einen Anruf von Amit bekommen,
ob ich weiss, wo der neue schweizer Prakti abgeblieben ist, irgendjemand
haette den zu einer der flats fahren sollen.
Und wir in Nizampura sollen angeblich bald einen Italiener bekommen, aber
das hat auch nur francois zufaellig als Geruecht erfahren, mal sehen.

Mein scooter ist mal wieder kaputt; ist bisher zwar nie beim ersten
Versuch, aber doch immmer zuverlaessig angesprungen, aber gestern abend
hat er ich im Stich gelassen, hat vielleicht damit zu tun, dass die
Plastikabdeckung der zu den vorderen Blinkern fuehrenden Verkabelung
abgefallen ist.
Gestern noch mit philip eine spritztour unternommen, einfach eine Stunde
aus baroda rausgefahren, am strassenrand einen chai getrunken, meine beim
zu schnellen ueberfahren eines speed bumps (die sind zahlreich, krass und
unangekuendigt) gebrochene Sitz-Federung reparieren lassen und wieder
zurueckgefahren. Macht einfach Spass, mit Sonnenschein und 150 kubik durch
die Landschaft zu touren.
Mit Lastern legt man sich dabei beser nicht an, merke: 1) je groesser,
desto Vorfahrt und 2) jede Spur ist immer so breit, wie gerade Fahrzeuge
aus der entsprechenden Richtung kommen
Das gilt auch fuer Kreisverkehre, die sind nicht wie in deutschland mit
klarer 'wer im kreisverkehr ist, hat Vorfahrt gegenueber denen, die
reinfahren'-Regelung, sondern eher wie eine Kreuzung, bei der alle
gleichzeitig Vorfahrt haben und deshalb flexibel aushandeln, wer jetzt wen
vorbeilaesst.

Sonntags in der galaxy-flat vorbeigefahren, wollte eigentlich philip
treffen, war aber gerade nur annemarie da, die ist erst vor zwei wochen
angekommen, und mit mayoko, die auch gerade erst angekommen ist, und
christian, der zwar schon vier wochen da ist, aber die meiste Zeit auf
Reisen war, in eine flat gesteckt worden; ohne einen erfahrenen trainee,
nachdem frauke momentan in kalkutta auf einer aeisec-konferenz ist. Sowas
ist eigentlich voellig unmoeglich, weil man ohne "aeltere" trainees
anfangs einfach verloren ist, schliesslich ist die betreuung der aiesecer
nicht gerade perfekt. Aber "zum Glueck" sind die la casa
rausgeschmissenenn ja gegenueber in flamingo catle eingezogen.
Annemarie hat nen ziemlich relaxten job, arbeitet von zehn bis zwei, und
dann geht sie ins buero, manchmal zum arbeiten, meistens zum quatschen,
und manchmal gar nicht. na ja, dafuer verdient sie auch gar nichts, aber
die Geisteswissenschaftler hatten schon immer die bequemeren Arbeitszeiten
:) Die Hollaender haben uebrigens auch diese Salz-Lakritze, aber im
Unterschied zur daenischen ist sie geniessbar und relativ lecker.
Dann noch in Ellora five vorbei und meine suessigkeiten abgeholt, die wir
von vigorsoft zu divali bekommen haben; indische sweets sind meistens
fettig und pappsuess, und nicht sehr lecker, aber die sind gut, wie
marzipan, nur mit cashew statt mandeln, und mit merkwuerdiger, aber
angeblich bekoemmlicher und essbarer silberfolie drauf.

[mittwoch]
hatte meinen scooter nochmal in der werkstatt, wegen abgefallener frontplatte (wo die blinker etc drauf sind), aber jetzt funktionieren beide bremsen und vorder- und ruecklicht, glaube das duerfte in indien einzigartig sein...

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